Da die schönste Nebensache der Welt auch im vermeintlich prüden Mittelalter nicht nur als Sünde, sondern auch als wichtiger Beitrag zur Gesunderhaltung des Körpers galt, kennen mittelalterliche Arzneibücher zahlreiche Mittelchen zur Steigerung der Lust und zur Behebung erektiler Dysfunktionen.
Eines dieser Rezepte möchte wir heute im Rahmen der von der IG 14. Jahrhundert ausgerufenen #pluckingroses-Challenge näher vorstellen.


Von der vngehaúsch pflegen mit weiben Wer vngehausch pflegen wil vnd schimpfleich mit den frawen leben will, der trinchk Satturien wúrczen mit wein, das machet den man lustig. Auch wer die wúrczen in der hant hat, das sew erwarmt, der enpfint auch zehant des lúst zé frawen. (30va) Oder man stóss mit ein ander linsat sam vnd pfeffer vnd nem das in ainem tranchk. Oder ein besunders von den sachen ze treiben: Man sol nemen ein hirsein testiculi vnd schol das wol trúchken machen, in einem móser ze puluer machen vnd das trinchken in guetem wein. Das hat gross chraft zw dem als vor geschriben stet. Es spricht auch ein maister, der gross Albertus: Wer das púluer núczet, der gewint sólchen lúst, das im sein geschirr albeg fróleich ist. Vnd spricht auch, wie man nicht ein andre chunst hiet, das geschirr muest allczeit an vnderlós berait sein vnd erchennet auch, wie man es wider tún sol: Man sol nemen solsequium, wegwart mit sampt der wúrtzen vnd sol das in guetem esseich wol sieden vnd darab trinchken abencz vnd des morgens. Da von wirt das geschirr wider gemachsam. Oder dar nach sol man pawm ól auf die gluet werffen, dar vber sol sich der mensch haben, das benimpt dem menschen auch den (30vb) wollust. Auch besunder fúr die vngeháusch: Trinchk Coriander sam offt, das benimpt dir auch die wollúst.
Admont, Stiftsbibliothek, Cod. 329, fol. 30v
Der Text entstammt dem Admonter Bartholomäus, einem Arzneibuch aus dem 15. Jahrhundert und empfiehlt drei Mittel zur Steigerung der (männlichen) Lust:
- Bohnenkraut solle mit Wein getrunken oder in der Hand gehalten werden.
- Alternativ könne ein Trank mit Leinsamen und Pfeffer Abhilfe schaffen.
- Ein ganz besonderes Präparat wurde aus den Hoden des Hirsches hergestellt – getrocknet und im Mörser zu Pulver zerrieben sollte man sie in gutem Wein trinken.

Letzteres Mittel galt als so stark, dass das männliche Geschlechtsteil dadurch allzeit zum Akt bereit stand – das behauptet laut unserem Text angeblich Albertus Magnus, der auch ein Gegenmittel empfiehlt, wenn die Dauerbereitschaft dann doch zu anstrengend wurde: Die Gemeine Wegwarte sollte mitsamt der Wurzel in gutem Essig gekocht und zwei Mal täglich, morgens und abends, getrunken werden, davon beruhige sich das Gemächt wieder.
Abschließend werden noch zwei weitere Mittel zur Eindämmung der Wolllust empfohlen:
- Olivenöl solle auf die Glut getropft werden, während der Mensch sich darüber befand. (Hier geht nicht ganz hervor, ob die Dämpfe inhaliert werden sollten oder in Form eines Dampfbades zu Anwendung kamen.)
- Koriandersamen fungierten offenbar, häufig als Trank zu sich genommen, als zuverlässiger Liebestöter.

Und die Frauen der Schöpfung?
Wie viele andere Rezepte des Mittelalters stellt der Ausschnitt aus dem Bartholomäus die männliche Lust in den Vordergrund. Entgegen landläufiger Vorstellungen vom finsteren Mittelalter war die weibliche Lust auf den Geschlechtsakt auch damals erwünscht und galt (in Maßen) als gesundes Bedürfnis und Garant für die erfolgreiche Reproduktion.
Initiieren sollte den Geschlechtsakt laut mittelalterlicher Autoritäten dann aber doch der Mann. Um festzustellen, ob sie „es“ auch wollte, konnte zunächst mittels einer ‚Lustprobe‘ geprüft werden, ob die Frau überhaupt körperlich am anderen Geschlecht interessiert ist:
Jtem wellestu versuechen wellichs weib gerne man hab So soltu nemen rueben vnd mül die in ainem leihnen tuech vnd leg die dem weib an plosse hawt pey ainer nacht So vindestu an wurm darjn.
München BSB, Cgm 725, fol. 81v
In ein Leinentuch geschlagene Rüben sollten der Frau über die Nacht auf die bloße Haut gelegt werden: Fanden sich am nächsten Morgen Würmer in der Rübe, war die Frau sexuellen Kontakten mit Männern nicht abgeneigt. Um dann tatsächlich in Stimmung zu kommen, kennen die mittelalterlichen Texten dieselben Mittel wie heute: Paare sollten miteinander scherzen, sich herzen, küssen und umarmen. Der Mann solle die Brüste und die Vulva der Frau streicheln und reiben, bis sie ihm durch Zeichen der Erregung mitteilt, dass sie nun zum Akt bereit ist. Mitunter wird sogar dezidiert darauf hingewiesen, dass die männliche Ejakulation bis zum weiblichen Orgasmus hinausgezögert werden sollte – Ladies first also. 😉

In Stimmung gekommen? Auf dem Blog der IG 14. Jahrhunderts finden sich weitere unzweideutige Beiträge zur #pluckingroses-Challenge, unter anderem ein Seidendildo und ein Verhütungsschwämmchen.
Text: Ylva Schwinghammer
Quellen:
Admont, Stiftsbibliothek, Cod. 329
Kruse, Britta-Juliane: „Die Arznei ist Goldes wert“. Mittelalterliche Frauenrezepte. Berlin 1999.
Kruse, Britta-Juliane: Verborgene Heilkünste. Geschichte der Frauenmedizin im Spätmittelalter. Berlin 1996. (=Quellen und Forschungen zur Literatur und Kulturgeschichte 5)
Tesch, Anna Maria: Der „Admonter Bartholomäus“ (Cod. 329): Teiledition mit elektronischer Basistransliteration und ‚dynamisch’ abgeleiteter Lesefassung. Graz, Dipl.-Arb. 2007.


Heidelberg, Cod. Pal. germ. 345, Bl. 247r und Heidelberg, Cod. Pal. germ. 345, Bl. 247r